Jump to Navigation

Solidarisches Gemüse: Ein Besuch bei der GartenCoop Freiburg

In Plastik verpackte Tomaten und Salatmischungen aus dem Supermarkt? Mittlerweile Fremdworte für Brian Shaw. Der irische Student ist Mitglied bei der GartenCoop, einer Kooperative, die bei Bad Krozingen auf rund neun Hektar solidarische Landwirtschaft betreibt (und über die heute ein Film im KoKi zu sehen ist). Wie es ist, sich auf dem Acker die Finger schmutzig zu machen - und sein eigenes Gemüse zu ernten. Eine Multimedia-Reportage auf fudder.de, entstanden im Rahmen eines Seminars über Online-Journalismus. Von Judith Kormann, Violetta Kuhn und Marina Strauß.

Brian Shaw

Es ist kurz nach 8 Uhr morgens auf einem Feld in Tunsel in der Nähe von Freiburg. „Ratsch“. Mit einem Messer schneidet Brian (Foto oben links) eine Handvoll Minze ab und legt sie in eine grüne Plastikkiste. Ein paar Meter weiter kniet der Amerikaner Leron im Schnittlauchbeet. Der scharfe Geruch des grünen Krautes vermischt sich mit dem Duft von Oregano und Thymian. Die Ausrüstung für die Feldarbeit – Handschuhe, Messer und Schuhe mit Stahlkappen – haben die Männer aus dem Fundus der GartenCoop.

Seit Brian im vergangenen Oktober nach Freiburg gezogen ist, ist er Mitglied der Kooperative – gemeinsam mit seinen vier Mitbewohnern. Pro Monat zahlen sie einen Mitgliedsbeitrag und bekommen dafür Woche für Woche frisches Gemüse aus regionalem Bio-Anbau. Auf dem Feld arbeitet der 32-jährige Ire heute zum ersten Mal. „Nach Tunsel zu gehen, gibt einem ein Gefühl für Saisonalität“, sagt der Forstwissenschaftler begeistert, während er sein Messer wieder in die Gürteltasche steckt.

 

Saisonale Landwirtschaft statt Ertragsdruck

Die Kooperative GartenCoop gibt es seit 2011 (fudder-Bericht). Weg vom marktwirtschaftlichen Ertragsdruck und hin zu einer regionalen, solidarischen und saisonalen Landwirtschaft – das war und ist die Vision der Gründer. Inzwischen hat die Kooperative 270 Mitglieder. Fünf Mal pro Jahr sollte jeder der Gemüseliebhaber auf dem Feld mithelfen. Zusammen mit Brian ernten und sammeln an diesem Mittwoch noch sechs weitere Mitglieder in Tunsel. Angeleitet werden sie von den fünf Gärtnerinnen und Gärtnern, die den landwirtschaftlichen Betrieb leiten.

Mittlerweile hockt Brian auf dem Karottenacker. Er fasst ungefähr zehn Möhren zusammen und dreht sie mit einem kurzen Draht zu einem Bund. Beim schwungvollen Eindrehen spritzt die Erde in alle Richtungen. Er arbeitet sich eine Reihe entlang. Alle paar Meter vernascht er eine der vielleicht drei Zentimeter kleinen Babymöhren. „Lecker und ziemlich süß“, findet er. Neben ihm bekanntem Gemüse hat Brian durch die GartenCoop auch ganz neues Grünzeug schätzen gelernt. „Ich weiß jetzt, wie Löwenzahn schmeckt oder alle möglichen Salatsorten, von denen ich nicht einmal den Namen auf Englisch kenne. Aber ich esse sie einfach.“
 

 

Brians Mitgliedsbeitrag: 72 euro / Monat

Die GartenCoop baut nur samenfeste Sorten an, die zwar etwas weniger Ertrag bringen, dafür aber jedes Jahr wiederverwendet werden können. Die Mitglieder des Karottenkollektivs zahlen nicht direkt für das Produkt, sondern für die Produktion. Wie viel einem das biologische Gemüse wert ist, kann jeder - je nach Einkommen und Selbsteinschätzung - selbst festlegen. Wichtig ist, dass die Kosten für die Pacht, das Saatgut, die Gerätschaften und fünf Gärtner insgesamt gedeckt werden. Um das zu stemmen, müsste jedes Mitglied ungefähr 1000 Euro im Jahr bezahlen. Brians 5er-WG steuert zum Beispiel 72 Euro im Monat bei.

Gartencoop Tunsel

Nach zwei Stunden Arbeit auf dem Feld klopft der Forstwissenschaftsstudent die Erde von seiner Jeans und streift die Gartenhandschuhe ab. Zeit für eine kurze Pause. Bei einer dampfenden Tasse Kaffee sitzt er zusammen mit Leron und den anderen Mitgliedern um einen großen Tisch unter dem Dach der offenen Scheune. Eine laue Brise weht ihnen entgegen. „Im Sommer ist es toll, hier zu arbeiten“, sagt eine ältere Frau. „Aber im Winter. Brrr. Da müssen alle in gefrorene Klamotten steigen.“

„Wer kommt mit zu den Kartoffeln?“, fragt Fabian Schlichtmeier, einer der Gärtner, in die Runde. Brian ist dabei und mit dem knallblauen Bus geht’s drei Kilometer weiter zum nächsten Feld. Whiskey und Winney, zwei Kühe des Luzernenhofs in Seefelden, die den Sommer auf der Weide der GartenCoop verbingen, begrüßen den Iren mit einem gemächlichen Muhen. Brian kniet sich auf den Erdboden und wirft Kartoffel um Kartoffel in eine Plastikkiste. Den Pulli streift er über den Kopf, denn inzwischen ist es ziemlich warm geworden.

„Ich finde es toll, dass ich weiß, wo das Gemüse herkommt und dass ich die Leute hier kennenlerne. Das alles macht einen großen Unterschied.“ Dass vieles auch besser schmeckt, kommt zum Genuss noch dazu. Mit Fabian versucht er, ein paar Worte auf Deutsch zu wechseln. Gerne würde er seine Sprachkenntnisse verbessern, doch auf Englisch kann er sich bisher noch leichter ausdrücken.

Video: GartenCoop Freiburg: Interview mit Luciano Ibarra (2:53)
Brian braucht die Natur, um sich wohlzufühlen. Neben dem Studium arbeitet er in einem Wald bei Breisach. Mitglied bei der GartenCoop ist er aus Überzeugung. Beim Mittagessen, von einer älteren Dame eigens für Gärtner und Helfer zubereitet, lehnt er sich nach getaner Arbeit entspannt zurück. Es gibt Kartoffeln, Frankfurter Soße und grünen Salat. Bis auf die Crème Fraîche stammen alle Zutaten von den Feldern der GartenCoop. Seit er bei der Kooperative Mitglied ist, haben sich Brians Einkaufsgewohnheiten verändert: „Früher bin ich in den Supermarkt gegangen und wenn ich Lust auf Tomaten hatte, habe ich welche gekauft.“ Heute achte er mehr darauf, dass das Gemüse auch gerade Saison hat. „Wenn ich sehe, dass bei der Produktion etwas falsch läuft, kann ich das jetzt nicht mehr einfach ignorieren.“

Am nächsten Tag wird er sein selbst geerntetes Gemüse bei einem Verteilpunkt in der Wiehre abholen, Minze, Karotten und Kartoffeln in zwei Jutetaschen packen. „Am GartenCoop-Tag kochen wir in der WG immer zusammen.“ Das abgeholte Gemüse reicht für die fünf Mitbewohner für zwei Mahlzeiten. „Nicht so viel, aber ein tolles Gefühl.“ In Zukunft will Brian noch einen Schritt weiter gehen, vielleicht sogar sein eigenes Grünzeug bei einer Freundin im Schrebergarten anbauen. Tomaten im Winter wird er sicher nicht mehr kaufen.

Gartencoop Tunsel

Mehr dazu

Wer mehr über die GartenCoop wissen will, kann sich den 64-minütigen Film „Die Strategie der krummen Gurken“ von den GartenCoop-Mitbegründern Sylvain Darou und Luciano Ibarra ansehen (aktuelle Vorführungstermine).  In den kommenden Wochen gibt es zahlreiche Vorführungen in Freiburg und im Markgräflerland:

  • Montag, 8. Juli, 20 Uhr Kommunales Kino Freiburg
  • Dienstag, 9. Juli, 20 Uhr in Tunsel (Probelokal des Musikvereins, Turn- und Festhalle Tunsel)
  • Donnerstag, 11. Juli, 16 Uhr: KuCa, Höllentalstr. 2 in Freiburg-Littenweiler
  • Freitag, 12. Juli,19:30: Kommunales Kino Freiburg
  • Sonntag, 14. Juli, 17:30h: Kommunales Kino Freiburg
  • Dienstag, 16. Juli, 19.30 Uhr in Heitersheim (Bürgerhaus Gallenweiler)
  • Donnerstag 18. Juli, 20h, White Rabbit, Freiburg
  • Dienstag, 23. Juli, 20:30  Uhr: im Bewohnerraum der Langemarckstraße 97, Freiburg

 

Umfrage: Warum machst Du bei GartenCoop mit?

Anne Floquet Anne Floquet (66):

„Die GartenCoop finde ich ne tolle Sache, weil sie ausgezeichneten Geschmack liefert bei biologischem Anbau und das mit dem Saisonalitätsprinzip verbindet. Hier kommen alle: Gruftis, Studis, Babys, Ü60er. Das bringt Jung und Alt zusammen.“

 

 

 

 

Eckhart SchultzeEckart Schultze (66):

„Mir gefällt die gemeinsame Arbeit und Verantwortung. Die solidarische Landwirtschaft ist ein echtes Gegengewicht zur industriellen Landwirtschaft.“

 

 

 

Sabine SchumannSabine Schuhmann (44):

„Ich bin Mitglied, weil ich total Bock hatte, auf dem Feld zu arbeiten und mitzuhelfen. Dazu komme ich jetzt aber fast nie.“

 

 

 

 

 

Herbert FreyHerbert Frey (53):

„Ich wollte etwas tun, damit die Gesellschaft wieder zusammenwächst und man das Produkt wieder zu schätzen lernt. Mich hat das Engagement der Leute motiviert. In der GartenCoop kann man konkret etwas für den sozialen Ausgleich tun.“
 

 

 

 

 

 

Marco SepulvedaMarco Sepulveda (36):

„Ich habe schon in Chile an einem ähnlichen Projekt mitgearbeitet. Ich will solche Initiativen fördern.“

 

 

 

 

Die Autorinnen:

Judith Kormann, Violetta Kuhn und Marina Strauß studieren am Frankreich-Zentrum der Albert-Ludwigs-Universität. Diese Multimedia-Reportage ist entstanden im Rahmen eines Seminars über Online-Journalismus

Fotogalerie: Mitglieder von GartenCoop in Aktion

Tipp: Wartet einen Augenblick, bis die Galerie komplett geladen ist. Ihr könnt euch dann ganz  bequem jeweils das nächste Foto anzeigen lassen, indem ihr auf eurer Tastatur die Taste "N" (für "next") drückt.



Main menu 2

by Dr. Radut